Rechenzentren gelten als Rückgrat unserer digitalen Gesellschaft. Ohne sie gäbe es keine Cloud, keine Streamingdienste, keine funktionierende Wirtschaft. Was viele nicht wissen: Rechenzentren gehören heute zu den am schnellsten wachsenden Energieverbrauchern. Ihr Strombedarf steigt rasant, ebenso die Anforderungen an Kühlung, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit.
Die Diskussion über die Zukunft der digitalen Infrastruktur wird deshalb längst nicht mehr nur innerhalb der IT-Branche geführt. Auch Energieversorger, Stadtplaner und die Umweltpolitik mischen mit. Denn die Frage ist nicht mehr, ob wir Rechenzentren brauchen – sondern wie wir sie bauen und betreiben, damit sie zu einer klimaneutralen Zukunft beitragen können. Auf der Ingelheimer Aue entsteht so ein Rechenzentrum, das mehr sein will als ein Ort für Serverracks. Es soll Teil der Energiewende werden. Wie das konkret aussieht, erzählt Markus Blüm, einer der Geschäftsführer von Green Rocks Geschäftsbereichsleiter bei KMW, im Interview.
Herr Blüm, viele Rechenzentren sprechen von Nachhaltigkeit. Was macht Ihr Konzept wirklich besonders?
Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Schlagwort sein – sie muss sich konkret in der Infrastruktur und im Betrieb widerspiegeln. Unser Rechenzentrum setzt Maßstäbe in der intelligenten Wärmenutzung und energieeffizienten Kühlung. Statt überschüssige Wärme einfach abzuleiten, nutzen wir sie sinnvoll weiter: Wir speisen bis zu 60 MW Abwärme in das Mainzer Fernwärmenetz ein und decken damit den Heizbedarf von 20.000 Haushalten – emissionsfrei und regenerativ.
Auch die Kühlung ist bei uns mehr als ein Standardprozess. Wir haben eine klare Priorisierung: Primär nutzen wir unsere Abwärme für das Fernwärmenetz, wodurch die Serverabwärme einen direkten Nutzen für die Region hat. Rheinkühlung kommt zum Einsatz, wenn die Abwärme nicht genutzt werden kann. Erst als letzte Option greifen wir auf klassische Dachkühlung zurück.
Diese durchdachte Abstufung stellt sicher, dass wir Ressourcen effizient nutzen und einen PUE-Wert unter 1,2 erreichen – das ist in der Branche ein Spitzenwert.
Wie genau funktioniert die Wärmerückgewinnung?
Rechenzentren erzeugen im Betrieb eine Abwärme von etwa 30°C – zu wenig, um sie direkt ins Fernwärmenetz einzuspeisen. Hier setzen unsere Hochtemperatur-Wärmepumpen an, die die Wärme auf 110°C verdichten. Erst dann ist sie für die Heizversorgung nutzbar.
Das Besondere ist, dass der gesamte Prozess in einem geschlossenen Kreislauf läuft. Das heiße Wasser wird über einen Wärmetauscher ins Fernwärmenetz eingespeist, und nach der Abkühlung wird es erneut zur Kühlung der Server genutzt. So erreichen wir eine hocheffiziente Wärmeverwertung.
Unsere Wärmepumpen werden zudem ausschließlich mit erneuerbarer Energie aus einem nahegelegenen Windpark betrieben. Die Energieverteilung entspricht 72% regenerative Abwärme aus dem Rechenzentrum und 28% regenerativer Strom für die Wärmepumpen. Unsere Fernwärme ist somit zu 100% regenerativ – eine echte Innovation im Rechenzentrumsbetrieb.
Mainz ist nicht als klassischer Standort für Rechenzentren bekannt. Warum fiel die Wahl auf diese Stadt?
Mainz bietet mehrere entscheidende Vorteile. Erstens ist es eines der wenigen Gebiete, wo Rechenzentrumsinfrastruktur mit bestehender Energieinfrastruktur verknüpft werden kann. Wir nutzen bestehende Netze für Strom und Fernwärme, was enorme Effizienzvorteile bringt.
Zweitens macht die direkte Anbindung an den DE-CIX Mainz erstmals zu einem strategisch wichtigen Internet-Knotenpunkt. Für Unternehmen mit höchsten Anforderungen an digitale Infrastruktur wird der Standort dadurch besonders attraktiv.
Ein weiterer Punkt ist die zunehmende Regulierungsdichte in der Rechenzentrumsbranche. Der Bau neuer Standorte wird durch Genehmigungsprozesse für Wassernutzung, Netzanschlüsse und Umweltauflagen immer schwieriger. Mainz bietet hier ein Gegenmodell: Wir integrieren das Rechenzentrum nahtlos in bestehende Strukturen und schaffen damit ein echtes Zukunftsmodell für nachhaltige IT-Infrastruktur.
Markus Blüm macht im Interview deutlich, dass technologische Innovation dann besonders kraftvoll wird, wenn sie sich in bestehende Strukturen integriert und mehrere Herausforderungen gleichzeitig adressiert, wie die Nutzung regenerativer Energien, die intelligente Einbindung in Wärmenetze, die regionale Wertschöpfung und die kluge Standortwahl. Rechenzentren der Zukunft entstehen also nicht mehr zwingend dort, wo Flächen billig und Strom billig ist – sondern dort, wo Infrastruktur, Energie und Verantwortung ineinandergreifen.